Am heutigen Tag (Ortszeit in Japan) wurden die Versuche, mit Wasserwerfern oder auch erneut mit Helikoptern Wasser in die mit abgebrannten Brennelementen gefüllten Abklingbecken zu füllen, an Block 3 unternommen. Dabei stellt sich die Frage, ob die Kühlung der Brennelemente im Abklingbecken von Block 4 nicht viel wichtiger wäre. Gregory Jaczko, Chef der US-Atomsicherheitsbehörde NRC, geht beispielsweise davon aus, dass dort kein Wasser mehr ist.
TEPCO gibt an, dass die Strahlung an Block 4 am höchsten ist. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass dort die Kühlung am dringendsten benötigt würde. Zugleich verhindert die starke Strahlung aber auch, dass man sich dem Block überhaupt nähert. Und TEPCO weißt Berichte zurück, dass das Becken bereits trockengefallen ist.
Laut Spiegel Online fassen die Pools für abgebrannte Brennelemente in einem der Blöcke in Fukushima Daiichi jeweils knapp 2 000 Tonnen Wasser, entsprechend knapp 2 Millionen Liter. Laut MIT Nuclear Science and Engineering wurde in Block 4 wegen eines 105-tägigen Wartungsfensters der komplette Reaktorinhalt in die Abklingbecken ausgelagert. Wann dieses Wartungsfenster begonnen hatte, wird nicht genannt. Laut derselben Quelle produziert der atomare Zerfall des Inventars eines Siedewasserreaktors des Typs wie in Block 2 oder 3 in Fukushima Daiichi 20 Tage nach Abschaltung noch eine Wärmeleistung 8,8 Megawatt. Nach 110 Tagen sind es 6,3 Megawatt. Block 4 ist laut IAEA derselbe Typ wie auch Block 2 und 3.
Im schlimmsten Fall - die Abschaltung erfolgte erst vor 20 Tagen - ergibt sich bei anfangs 30 °C warmem Wasser eine Verdunstungsrate von 3,6 Litern pro Sekunde oder 2,2 Millionen Liter pro Woche. Diese Zahl passt leider genau zu den Vorgängen, die in Block 4 beobachtet worden sind:
Vier Tage nachdem der Tsunami die sekundären Kühlsysteme und die Stromversorgung für die Reaktoren zerstört hat, kommt es zu einer unerwarteten Wasserstoffexplosion in Block 4, gefolgt von einem Feuer. Wahrscheinlich lagen, nachdem etwas über die Hälfte des Wassers in den Lagerpools verdampft war, erstmals die Spitzen der Brennstäbe frei. Dadurch erhitzen sich diese noch stärker, und es kommt zur Reaktion zwischen dem Zirkonium der Brennelementhülsen und dem Wasserdampf des siedenden Poolwassers. Dabei entsteht Wasserstoff, der später explodiert, und der Bildung von Zirkoniumoxid.
Nur einen Tag später, also fünf Tage nach dem Verlust der Kühlung, gibt es erneut ein Feuer in der Nähe des oder - wahrscheinlicher - im Abklingbecken von Block 4. Genau nachsehen, wo das Feuer lodert, konnte der Mitarbeiter wegen zu hoher Strahlenwerte nicht. Wenn am Tag 4 nur die Spitzen der Brennelemente frei lagen, war es am Tag 5 bereits ein erheblicher Teil der Brennelementhülle.
Unter Wasser bzw. Wasserdampf reagiert das Zirkonium zu Wasserstoff und Zirkoniumoxid. Kommt hingegen Frischluft an die heißen Brennelemente, können diese auch richtig brennen. Dabei wird noch mehr Hitze frei als bei der Umsetzung mit Wasserdampf. Diese Hitze beschleunigt noch die Verdunstung des eh schon wenigen verbliebenen Wassers im Abklingbecken.
Alles deutet auf eine Kernschmelze im Abklingbecken von Block 4. Ein Containment gibt es dort nicht.
Mittlerweile spricht der Spiegel von nur noch 1 400 Tonnen Wasser im Abklingbecken von Block 3 (Block 4 ist wohl gleich). Dafür war der Block 4 zum Zeitpunkt des Erdbebens tatsächlich bereits 100 Tage lang abgeschaltet: Es muss also der kleinere der genannten Leistungswerte (6,3 Megawatt) angesetzt werden, entsprechend einer Verdunstungsrate von 2,5 Litern pro Sekunde oder 1 500 Tonnen pro Woche. Zudem müssen ca. zwei Drittel, nicht nur die Hälfte, des Wassers verdunstet sein, bevor die Brennelementspitzen freiliegen.
Die genannte Verdunstungsrate reicht nicht ganz aus, um nach dem Verlust der Kühlung am 11.03. die Wasserstoffexplosion in Block 4 vom Morgen des 15.03. zu erklären. Bis dahin war nämlich nur knapp über die Hälfte des Wassers verdunstet; die abgebrannten Brennelemente belegen aber nur das untere Drittel des Abklingbeckens. Und erst dann, wenn die oberen Bereiche der Brennelemente freiliegen, kann es zur folgenschweren Aufheizung samt der Freisetzung von Wasserstoff kommen.
Andererseits befinden sich mehreren Quellen zufolge (beispielsweise Scientific American) zwei komplette Reaktorladungen im Abklingbecken von Block 4: Neben der Ladung, die im Rahmen der Wartungsarbeiten entnommen worden war, befinden sich dort auch noch die bei den regulären Brennelementwechseln der letzten Jahre entnommenen abgebrannten Brennelemente. Da diese schon länger abklingen konnten, strahlen sie entsprechend weniger. Wenn diese älteren Brennelemente nun weitere 2 Megawatt an Wärmeleistung beitragen, dann sind schon nach vier Tagen deutlich über zwei Drittel des Wassers im Pool verdunstet.
Zur aktuellen Situation in Block 4 siehe auch den Kommentar: Wohin ist der Atommüll von Block 4? Dort wird erläutert, wie knapp man in Block 4 an einer nuklearen Katastrophe vom Ausmaß der in Tschernobyl vorbeigeschlittert ist.
Mehreren Quellen zufolge spricht TEPCO inzwischen von 140 bis 210 Tonnen Wasser, die täglich durch Verdunstung verloren gehen. Die oben berechneten 2,5 Liter pro Sekunde entsprechen 216 Tonnen pro Tag.
17.03.2011 17:45 Uhr