Während es in Block 1 des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi bereits am Tag nach dem Erdbeben und Tsunami eine schwere Explosion gab, die den oberen Teil des Reaktorgebäudes bis auf ein Stahlgerippe wegsprengte, gab es in Block 4 erst am Tag 4 eine vergleichbare Explosion, die zudem weniger Schaden anrichtete. Diese war von einem Feuer in der Nähe des Lagerpools (oder im Lagerpool) für abgebrannte Brennelemente gefolgt, das aber selber wieder ausging. Am nächsten Tag gab es nochmals ein Feuer, das zwar ebenfalls wieder von selber ausging, aber den oberen Teil des Gebäudes ähnlich stark verwüstete, wie die starken Wasserstoffexplosionen in Block 1 und 3.
Schlimmer noch, scheint durch diese Vorgänge in Block 4 wesentlich mehr Radioaktivität freigesetzt worden zu sein als in den anderen Blöcken. Immer wieder heißt es, dass die Hilfsmannschaften wegen der hohen Radioaktivitätsbelastung besonders vorsichtig sein müssen, wenn sie sich Block 4 nähern. Deswegen wurde anfangs nur Block 3 gekühlt, nicht Block 4. Obwohl die Explosion und die beiden Feuer in Block 4 keinen Zweifel daran lassen, dass es mit dem besonders voll beladenen Abklingbecken in Block 4 - dafür ist der Reaktor selber leer - massive Probleme geben muss.
Um so erstaunlicher, dass es um Block 4 komplett ruhig geworden ist: Kein Dampf, kein Rauch, keine Explosionen in den letzten Tagen. Thermobilder des Reaktors zeigen mäßige 40 bis 50 °C. Nummer 1 und 3 sind heißer.
Zum Vergleich: An den Tagen vor der Explosion und den beiden Bränden wurde bereits eine Wassertemperatur von 84 °C gemessen. Und am Tag der Explosion müssen zumindest Teile der Brennelemente ca. 1 000 °C heiß geworden sein, sonst kommt es nicht zur Reaktion zwischen Wasserdampf und Zirkonium-Brennelementhülsen, bei der Wasserstoff freigesetzt wird. Die Brände an den folgenden Tagen sprechen ebenfalls für Temperaturen von 1 000 °C und höher.
Doch plötzlich werden nur noch 40 bis 50 °C gemessen, der Reaktor ist ruhig. Wo ist also die Hitze hin, und wo sind die abgebrannten Brennelemente hin, die diese Hitze erzeugen? Mögliche Erklärungen:
Keines der geschilderten möglichen Szenarien ergibt ein eindeutiges, klares Bild. Nur eines ist sicher: Radioaktivität verschwindet nicht so einfach. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei Block 4 gerade um die Ruhe vor dem Sturm handelt.
Gut einen Monat, nachdem der obenstehende Text geschrieben wurde, hat TEPCO die wahrscheinliche Lösung des Rätsels des wieder beruhigten Lagerpools bzw. der verschwundenen Radioaktivität veröffentlicht: Die Wasserstoff-Explosion vom Tag 5 nach dem Erdbeben und Tsunami beschädigte glücklicherweise eine oder mehrere der Schleusen zwischen dem Abklingbecken und weiteren Wasserreservoirs der Anlage. Dadurch floss kaltes Wasser in den Pool, kühlte die Brennelemente wieder, und verhinderte so buchstäblich in letzter Sekunde eine Kernschmelze unter freiem Himmel
Eine dieser Schleusen ist mit geschlossenem Schleusentor im obigen Diagramm sichtbar; sie befindet sich zwischen dem Lagerbecken und dem Becken, in dem Transportbehälter ("Castor") befüllt werden. Eine ähnliche Schleuse, die nicht eingezeichnet ist, befindet sich wohl zwischen dem Reaktorbereich und dem Lagerbecken, um die Brennelemente umlagern zu können, ohne sie aus dem Wasser ziehen zu müssen. Das Versagen dieser Schleusen rettete Japan vor einer nuklearen Katastrophe vom Ausmaß der in Tschernobyl, nämlich einer Kernschmelze unter freiem Himmel.
Ebenso wurden von TEPCO Videoaufnahmen veröffentlicht, die die Brennelemente von Pool 4 in scheinbar gutem Zustand zeigen. Freilich beweisen die von TEPCO ebenfalls veröffentlichten Messwerte von hoher Radioaktivität im Poolwasser, dass es erhebliche Schäden an den Brennelementhüllen gibt. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass die Temperaturen an den Brennelementen mit der höchsten Radioaktivität bereits für den Beginn der Zirkonium-Wasserdampf-Reaktion reichten, aber noch nicht so hoch gestiegen waren, dass ein regelrechtes Zirkonium-Brennen einsetzte.
In dem untenstehenden Video vom Pool sind regelmäßig aufsteigende Dampfblasen sichtbar. Diese zeigen, dass das Wasser kocht, und weiterhin regelmäßig nachgefüllt werden muss. TEPCO hatte übrigens die Angaben bezüglich des Wasserverlusts durch Verdunstung wiederholt nach oben korrigiert, zuletzt auf 140 bis 210 Tonnen täglich.
Kommentare22.03.2011 11:45 Uhr
25.05.2011 20:00 Uhr